Das Seehofer Rentenmodell
Juni 2003.
Seehofer hatte in einem Zeitungsinterview einen kompletten Umbau
des deutschen Altersvorsorgesystems vorgeschlagen. So solle die
gesetzliche Rente "deutlich abgesenkt" werden. Die zusätzliche
Grundrente solle maximal 410 Euro betragen. Dafür sollten künftig
auch Beamte und Selbstständige in die Rentenversicherung einzahlen.
Beitragspflichtig sei dann das gesamte Einkommen, so der Unions-Fraktionsvize.
So könne der Rentenbeitrag auf elf bis zwölf Prozent gesenkt werden,
sagte Seehofer dem "Handelsblatt". Für den Übergang
schlug der CSU-Politiker einzig vor, die Grundrente sofort einzuführen
und von den aktuellen Renten abzuziehen. Ein Rentner oder Pensionär,
der im Alter 1000 Euro bezieht, erhielte dann zwar 410 Euro Grundrente,
aber nur 590 Euro Rente respektive Pension. Finanziert werden
solle die Grundrente durch einen Beitrag von vier bis fünf Prozent
auf alle steuerpflichtigen Einkommen. Da auch Beamte und Selbstständige
einzahlen sollten, sei das Modell "eine gewaltige Umverteilung
von oben nach unten", sagte Seehofer.
Union mit neuem Rentenmodell
CDU/CSU plant 410 Euro Sockelrente
16. Juni 2003 Künftig
sollen nach den Vorstellungen der Union alle Einwohner über 65 Jahren
eine Sockelrente von 410 Euro monatlich erhalten. Dazu sollen alle
Einkommensbezieher einen Beitrag 4 bis 5 % ihres steuerpflichtigen
Einkommens abführen. Das sieht ein Konzept für eine grundlegende
Reform der Altersversorgung vor, das die Union vorbereitet. Horst
Seehofer und Edmund Stoiber arbeiten an einer grundlegenden Reform
der Altersversorgung.
HANDELSBLATT
BERLIN. Ziel sei es, bei einem sinkenden Versorgungsniveau der Gesetzlichen
Rentenversicherung (GRV) Armut im Alter zu vermeiden, die Lohnnebenkosten
zu senken und mehr Spielraum für betriebliche und private Zusatzvorsorge
zu schaffen, sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,
Horst Seehofer (CSU), dem Handelsblatt (Montagausgabe).
Das
Modell umfasst drei Elemente: Alle Einwohner, die ein Leben lang
in Deutschland gewohnt haben, erhalten ab 65 Jahren eine Sockelrente
leicht oberhalb des Sozialhilfeniveaus. Heute seien dies etwa 410
Euro monatlich. Die zweite Säule der Altersvorsorge solle „eine
deutlich abgesenkte gesetzliche Rente“ sein, erläuterte der CSU-Politiker.
Beim Übergang vom bisherigen System zur reformierten Altersversorgung
solle die Sockelrente auf die gesetzliche Rente angerechnet werden.
Wer heute eine Rente von 1000 Euro bezieht, soll dann 410 Euro Sockelrente
und 590 Euro GRV-Rente erhalten.
Nach dem gleichen Prinzip
will Seehofer auch Beamte, Politiker und Landwirte in das neue System
einbeziehen. Sie sollen jeweils 410 Euro Sockelrente erhalten, ihre
Pension oder Rente wird entsprechend gekürzt. Auch Freiberufler
und Selbstständige sollen die Sockelrente erhalten. Die neue Sockelrente
soll aus einem neuen Beitrag von 4 bis 5 % aller Einwohner aus allen
steuerpflichtigen Einkünften finanziert werden. Im Gegenzug könne
der GRV-Beitrag der Arbeitnehmer und Arbeitgeber von heute 19,5
% vom Lohn um rund 8 Prozentpunkte auf 11 bis 12 % gesenkt werden,
rechnete Seehofer vor. So könnten die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber
um 4 Prozentpunkte gesenkt und Spielraum für den Ausbau der privaten
und betrieblichen Altersvorsorge geschaffen werden, erläuterte der
in der Unionsfraktion für die Sozialpolitik verantwortliche Vizechef.
Seehofer
macht sich damit eine Initiative katholischer Familien-, Arbeitnehmer-
und Frauenverbände zu eigen, die ein solches Modell
im Frühjahr vorgelegt
hatten. Es sieht vor, dass der bisherige Bundeszuschuss zu 40 %
für die Sockelrente und zu 60 % für die verbleibende gesetzliche
Rente aufgewendet wird. Seehofer hat seinen Plan bereits mit CSU-Chef
Edmund Stoiber und der Arbeitnehmergruppe der gemeinsamen Unionsfraktion
abgestimmt. Bis zum Herbst will er in den beiden Schwesterparteien
CDU und CSU die erforderlichen Beschlüsse herbeiführen. Das Modell
könne dann „relativ schnell“ verwirklicht werden. Auch die Grünen
und Teile der SPD plädieren für eine Einbeziehung aller Bürger in
die Versicherungspflicht und eine Grundrente nach Schweizer Vorbild.
Dagegen wies der stellvertretende FDP-Partei- und Fraktionschef
Rainer Brüderle am Wochenende Pläne zurück, „das gesetzliche Zwangssystem
noch mehr Menschen überzustülpen“.
Widerstand erwartet Seehofer
vor allem von „Personenkreisen, die bisher keine Beiträge bezahlen,
sowie Leuten mit sehr hohem Einkommen“. Der CSU-Politiker räumte
ein, dass die Sockelrente „eine gewaltige Umverteilung von oben
nach unten ist“.
Er glaubt aber, dass eine solche Sockelrente
die richtige Lösung für zentrale Probleme der Altersversorgung ist.
Seehofer: „Wir geben damit eine Antwort auf die zunehmende Zahl
unterbrochener Erwerbsbiografien, schaffen eine eigenständige soziale
Sicherung der Frauen, gewährleisten, dass ältere Menschen zur Sicherung
ihres Lebensunterhalts nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind und
entschärfen die Lohnnebenkostenproblematik“.
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Der Unions-interne Streit über
den Reformkurs hält an. Führende CDU-Politiker wiesen die Vorschläge
des CSU-Sozialexperten Horst Seehofer zur Gesundheits- und Rentenpolitik
strikt zurück. Die Empfehlungen des Unions-Fraktionsvize seien in
der CDU nicht mehrheitsfähig, sagte CDU-Vize Christian Wulff. Auch
CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer erteilte den Plänen des stellvertretenden
CSU-Chefs eine Absage. So lehnte er Seehofers Vorstoß für eine "Bürgerversicherung"
an Stelle der gesetzlichen Krankenversicherung ab. Meyer sprach
in diesem Zusammenhang von einer "Einzelmeinung" Seehofers.
Auch beim Thema Rente stößt Seehofer bei der CDU auf Widerstand.
Der Vorschlag Seehofers für eine Sockelrente sei "nicht finanzierbar",
sagte Wulff. Der von Seehofer mit CSU-Chef Edmund Stoiber abgestimmte
Vorschlag sieht eine Grundrente von derzeit 410 Euro für alle jene
vor, die ein Leben lang in Deutschland gelebt haben und mindestens
65 Jahre alt sind. Hinzu kommen nach den Vorstellungen Seehofers
eine "deutlich abgesenkte gesetzliche Rente" sowie eine
verstärkte betriebliche und private Altersvorsorge. Seehofer
forderte ferner zur Reform des Gesundheitssystems die
Einführung einer von ihm so genannten "Bürgerversicherung"
. Bei dieser würden auch Beamte, Politiker und Selbstständige
in die Versicherungspflicht einbezogen sowie auf Miet- und Zinseinnahmen
ebenfalls Kassenbeiträge erhoben.
Als
fragwürdig bezeichnete Seehofer auch die Bereitschaft von Merkel und Stoiber,
wider besseren Wissens von der Versicherungswirtschaft kleingerechnete Beiträge
für eine künftige Zahnersatz-Versicherung zu akzeptieren. Ihm lägen
schriftliche Beweise vor, nach denen der Verband der privaten
Krankenversicherungen einen Beitragswert von neun bis zwölf Euro auf die
politisch erwünschten 7,50 Euro heruntergerechnet habe. "So abhängig darf
Politik von der privaten Versicherungswirtschaft nicht werden",
kritisierte Seehofer.
Aufgrund
von Meinungsverschiedenheiten wegen der von ihm abgelehnten Gesundheitsprämie
und im Streit mit Merkel trat er am 22. November 2004 als stellvertretender
Fraktionsvorsitzender zurück, blieb aber einer der stellvertretenden
CSU-Vorsitzenden und behielt sein Mandat. Von November 2005 bis
November 2008 war Seehofer Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz. Im Oktober 2008 wurde Seehofer zum Ministerpräsidenten
des Freistaats Bayern gewählt.
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