In Beiträgen, die bei der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen sind, wird vor Fachkräftemangel gewarnt (s.u.). Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vertritt in seinen bisherigen Veröffentlichungen zu diesem Thema überwiegend die Meinung, dass Fachkräftemangel sich zu einem ernst zu nehmenden Problem entwickeln könne,[11][12] obgleich derzeit nicht von einem allgemeinen Fachkräftemangel gesprochen werden könne. Unter Berücksichtigung der demographischen Entwicklung prognostiziert die Studie von Fuchs und Zika[13] eine deutliche Unterbeschäftigung für die nächsten Jahre. Auch Branchenverbände, wie der Verband der Chemischen Industrie, sehen derzeit keinen generellen Fachkräftemangel.[14]
Auch die Bundesagentur für Arbeit kommt in einer im Dezember 2011 erschienenen Studie zu dem Schluss, dass ein genereller Fachkräftemangel in den Mathematik-, Informatik-, Naturwissenschaft- und Technik- (MINT)-Berufen nicht vorliegt.[15]
Vor allem Arbeitgeberverbände und arbeitgebernahe Institutionen wie der VDI und das Institut für Wirtschaftsforschung (IW) sehen einen Fachkräftemangel, während neutralere Einrichtungen wie die Bundesagentur für Arbeit und das DIW keinen generellen Fachkräftemangel sehen oder teilweise sogar eine Fachkräfteschwemme[16] befürchten. Kritiker vermuten, dass Verbände wie der VDI einen Fachkräftemangel postulieren, um so den Ansturm auf Ingenieur-Studiengänge weiter zu befeuern, was ein Überangebot an Fachkräften erzeugt und so die Lohnkosten in den entsprechenden Branchen drückt.[17] Der VDI unterstützt die Absenkung der Verdienstschwelle zur Einstellung ausländischer Ingenieure auf 34.200 Euro sowie den kompletten Wegfall der Vorrangprüfung bei der Einstellung ausländischer Ingenieure.[18] Arbeitnehmervertreter, wie Hartmut Meine, IG-Metall-Bezirksleiter in Niedersachsen, werfen dem VDI vor,[19] mit dieser Regelung nicht tarifgebundenen Unternehmen zu ermöglichen, Ingenieure aus der Dritten Welt anzuheuern. Damit wird das Entgeltniveau für Ingenieure deutlich gedrückt.
In der Diskussion sind auch immer wieder zusätzliche Anwerbeanstrengungen für Fachkräfte aus dem Ausland, wobei viele eingewanderte Hochqualifizierte in Deutschland bereits in Niedriglohnjobs arbeiten und keine ihrer Qualifikation entsprechende Position erlangen.[20] Öffentliche Aufmerksamkeit erregte eine Studie des Arbeitsmarktexperten Karl Brenke des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, weil sie kurz nach einer Vorabveröffentlichung durch seinen Institutsdirektor Klaus F. Zimmermann redigiert wurde.[21]
„So tauchen in der neuen Fassung komplett neue Passagen auf: "Die zeitliche Perspektive ist die aktuelle Situation - mit Blick auf die Ausbildung der nächsten vier bis fünf Jahre. Mittel- und längerfristige Trends sind nicht das Thema dieses Berichts", heißt es jetzt etwas verquer formuliert gleich zu Anfang. Übersetzt soll das wohl heißen: Brenke bezweifelt nunmehr den von seinem Chef heraufbeschworenen Fachkräftemangel nicht. Auch die ursprüngliche Überschrift "Fachkräftemangel in Deutschland: eine Fata Morgana" wurde in eine Harmlosvariante geändert: "Fachkräftemangel kurzfristig noch nicht in Sicht".[22][23]“
Lars Niggemeyer sieht die Diskussion über den angeblichen Fachkräftemangel eine Phantomdebatte, die dem Interesse der Arbeitgeber nach einem Überangebot an Arbeitskräften, längerer Lebensarbeitszeit, Wochenarbeitszeit, Ausweitung der Zuwanderung und niedrigen Löhnen dient. Im Interesse der Arbeitnehmer sollten ganz andere Punkte diskutiert werden: die Umverteilung der Arbeit durch Arbeitszeitverkürzung und der Ausbau der Beschäftigung im öffentlichen Dienstleistungssektor, bei Gesundheit, Pflege, Bildung und Erziehung.[24]
Daneben gibt es Tendenzen, die verstärkt den Einsatz heimischer Arbeitskräfte empfehlen. Meinungsführer wie Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt fordern die Wirtschaft auf, Fachkräfte auszubilden und heimische Quereinsteiger einzusetzen.[25][26]
2011 behauptete Wirtschaftsminister Philipp Rösler, dass Deutschland im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich 140.000 Fachkräfte fehlen würden.[27] Röslers Behauptungen widersprechen wissenschaftlichen Ergebnissen des DIW für den mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich:
Einzelnachweise„Für einen aktuell erheblichen Fachkräftemangel sind in Deutschland kaum Anzeichen zu erkennen. Dies ergibt sowohl hinsichtlich der aktuellen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt als auch hinsichtlich der Situation bei der akademischen und betrieblichen beruflichen Ausbildung. Zudem sind die Löhne – ein Indikator für Knappheiten auf dem Markt – bei den Fachkräften in den letzten Jahren kaum gestiegen. Auch in den nächsten fünf Jahren ist angesichts stark gestiegener Studentenzahlen noch nicht damit zu rechnen, dass in technisch-naturwissenschaftlichen Berufsfeldern ein starker Engpass beim Arbeitskräfteangebot eintritt.[28] “