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"Rentenkürzungsfaktoren"    

Ausreichende Rentenanpassung (Rente als Lebensstandard-Sicherung) ist eine gesetzlich verbindliche Zusage des Staates gegenüber den GRV-Versicherten bei Einführung der Umlagefinanzierung mit der Rentenreform 1957. Ohne ausreichende Anpassung an Lohn und Preissteigerungen nimmt die Kaufkraft der Renten ständig ab und wirkt wie jährliche Rentenkürzungen. Die jährlichen Rentenerhöhungen zum Ausgleich der jährlichen Preissteigerungen ist der sonst entgehende Gegenwert der Zinserträge, würden die jahrzehntelangen Beitragszahlungen nicht in die Umlagefinanzierung sondern in eine Kapitalanlage fliessen.

Mit Einführung der "Kürzungsfaktoren" durch die zahlreichen "Rentenreformen" und Rentenänderungen ist die Rentenanpassung ständig verringert oder ganz ausgesetzt worden. Zusätzlich ist die Rentenhöhe gesenkt worden durch: Kürzung von Anrechnungszeiten und niedrigerer Bewertung, Anhebung des Rentenalters, höhere KV und PV-Beiträge, höhere Besteuerung der Rente, ...

Ausreichende Rentenanpassung - Rente als Lebensstandard-Sicherung - ist eine gesetzlich verbindliche Zusage des Staates gegenüber den GRV-Versicherten bei Einführung der Umlagefinanzierung mit der Rentenreform 1957

Durch die vielen Eingriffe nach politischem Belieben in das Rentenrecht sinkt das Netto-Rentenniveau (ohne Berücksichtigung der weiter reduzierenden Besteuerungseinflüsse des Alterseinkünftegesetz ab dem 1.1.2005) von rund 70 % - noch bis Ende der 1990 Jahre - schrittweise bis auf unter 52 % in 2030. Diese Senkung wird insbesondere durch die Einführung der Riestertreppe (pro Jahr 0,5 prozentige Absenkung der Bemessungsgrundlage für die Rentenanpassung bis 4 Prozent erreicht sind), des Nachhaltigkeitsfaktors (Dämpfung des Rentenanstiegs bei Verschiebung des Verhältnisses von Erwerbstätigen und Rentnern hin zu „mehr Rentnern“) und des Ausgleichsfaktors (Nachholung ausgebliebener Rentenkürzungen) bewirkt.
Das trifft vor allem die "Jungen" (weil viele der "Alten" nicht mehr so lange leben) und macht eine dramatisch zunehmende Verarmung der kommenden Rentnergenerationen unausweichlich, wenn nicht eine grundsätzliche Wende eingeleitet wird.

 

Die Anpassung der Renten ist im § 65 SGB VI geregelt:  
Zum 1. Juli eines jeden Jahres werden die Renten angepasst, indem der bisherige aktuelle Rentenwert durch den neuen aktuellen Rentenwert ersetzt wird.  
Rentenanpassungsformel siehe  "aktueller Rentenwert" nach § 68 SGB VI   
*Ausnahmen: Hier für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 1.7.2010 nach § 255g und 1.7.2005 bis zum 1.7.2013 nach § 255e 
*Für die Zeit des Riestertreppenanstiegs, danach gilt der volle AVA-Satz von 4 % nach § 68 SGB VI (
AVA(tief)t-1)  

Die Rentenanpassungsformel (aktueller Rentenwert ARt)  im Detail:

  BE(tief)t-1    100 - AVA(tief)2012 - RVB(tief)t-1   ((   (RQ(tief)t-1 )   )
ARt = ARt - 1 x ----------- x  -------------------------------------     x (( 1 - ---------------- ) x alpha + 1 )
  BE(tief)t-2    100 - AVA(tief)2012 - RVB(tief)t-2   ((   (RQ(tief)t-2 )   )

 

      *

  I >>>>>>>Riester - Faktor<<<<<I

 

 

 

Nachhaltigkeits

 -

    Faktor

 

* In der Formel des § 68 Abs. 5 SGB VI werden mit dem Faktor BE unterschiedliche Größen bezeichnet, je nachdem, auf welches Jahr der Faktor bezogen wird; in der hier ausgewiesenen Formel sind die Faktoren eindeutig definiert.
Die Rentenanpassungsformel ist kompliziert und für viele nicht mehr nachvollziehbar, weil in den letzten Jahren immer neue Kürzungsfaktoren in die Rentenanpassungsformel eingebaut wurden, insbesondere Riester- und Nachholfaktor.

Die Abkopplung des Rentenniveaus von der Lohnentwicklung und die Dämpfungsfaktoren führen sogar dazu, dass bei einer nur geringen positiven Lohnentwicklung die Rentenanpassung negativ ausfallen müsste. Dies ist bisher gesetzlich verboten. Durch die beschlossene „Rentengarantie“ wird diese Möglichkeit ausgeschlossen. Die Rentengarantie ist aber überhaupt nur erforderlich geworden, weil eine generelle Entkoppelung der Renten von den Arbeitnehmereinkommen stattgefunden hat.


Die Renten-"Kürzungsfaktoren" im Einzelnen:

Die Bruttolohnentwicklung  (Lohnfaktor BE) 
Grundlage jeder Rentenerhöhung ist die Entwicklung der durchschnittlichen Bruttolöhne ("Bruttolohnfaktor"). Maßgeblich ist hierbei die Entwicklung des letzten gegenüber dem vorletzten Jahr. Für 2008 wird also die Lohnentwicklung 2007 gegenüber 2006 zugrunde gelegt. Hierbei wird auf den Wert zurückgegriffen, den das Statistische Bundesamt für die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) ermittelt. Berücksichtigt werden allerdings nur Lohnsteigerungen, für die auch
*Rentenversicherungsbeiträge entrichtet werden, auch Bezieher von Arbeitslosengeld, jedoch nicht Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigungen für Mehraufwendungen von Arbeitslosengeld II - Beziehern.
Besonderheiten für die neuen Bundesländer:
Für die Erhöhung der Renten in den neuen Ländern wird die Bruttolohnentwicklung in den neuen Ländern zugrunde gelegt. Um zu verhindern, dass der Rentenwert in den neuen Ländern wieder zurückfällt, sieht das Gesetz - neben der allgemeinen Schutzklausel - eine besondere Schutzklausel für die Rentenerhöhungen in den neuen Ländern vor: Sie müssen mindestens so hoch sein wie in den alten Ländern. Diese Schutzklausel kam in 2007 und 2008 zum Tragen.   
* Nur Rentenversicherte einzubeziehen klingt einleuchtend, steht aber im Gegensatz zur Begründung für die Rentenniveau-Senkung wg der steigenden Lebenserwartung. Hier werden alle: Beamte, Richter, Selbstständige, etc. einbezogen, die aber eine um 5 Jahre höhere Lebenserwartung haben als Durchschnittsrentner. Eine Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung (WSI) kommt zu dem Ergebnis, dass Geringverdienende, (Großteil der GRV-Versicherten), bis zu fünf Jahre früher sterben als Besserverdienende und pensionierte Beamte des höheren Dienstes (vgl. WSI-Mitteilungen 5/2008, S. 274 ff.). 
 

Der Beitragssatzfaktor (RVB  
Steigt der Beitragssatz für die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und haben diese dadurch eine höhere Abgabenlast, wirkt der Beitragssatzfaktor entsprechend auf die Renten dämpfend. Sinkt der Beitragssatz können die Renten auch ansteigen (§§ 68 Abs. 3 SGB VI).

Der Riesterfaktor  (s. obige Formel)
Der "Faktor für die Veränderung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung (RVB) und des Altersvorsorgeanteils (AVA)" wurde 2001 mit dem Altersvermögensergänzungsgesetz - AVmEG eingeführt. Der Faktor wird als "Riester-Faktor" bezeichnet, er setzt sich aus zwei Komponenten zusammen:  o Altersvorsorgeanteil (AVA): "Belastung" der Erwerbstätigen durch geplante* verstärkte private Altersvorsorge (Riester-Rente).
 o Rentenversicherungsbeitragssatz (RVB): Berücksichtigt die "Belastung" der Erwerbstätigen durch die Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Riesterfaktor ist ein reiner Kürzungsfaktor und kann - anders als der Beitragssatzfaktor - in keinem Fall positiv wirken. Er wurde mit der Rentenreform 2001 eingeführt und soll die Belastungen, die den aktiv Beschäftigten durch den Aufbau einer Riesterrente entstehen, auf die Rentenanpassungen übertragen.
In Anlehnung an die Fördertreppe bei der Riesterrente liegt auch dem Riesterfaktor eine Stufenregelung, die so genannte Riestertreppe, zugrunde. Die Stufen der Riestertreppe ("Altersvorsorgeanteil") sollen bis 2012 in Schritten von 0,5 Prozentpunkten auf vier Prozent steigen. In der Rentenanpassungsformel ergibt das Zusammenwirken von Riester- und Beitragssatzfaktor eine jährliche Anpassungskürzung von ca. 0,6 Prozentpunkten. In 2008 und 2009 wurde der Riesterfaktor ausgesetzt, um eine höhere Rentenanpassung zu erreichen. Er soll 2011 und 2013 nachgeholt werden.

*Die anpassungsmindernde Wirkung der Riester-Treppe in der Rentenformel wurde damit begründet, dass die Prämien für die Riester-Rente die Einkommen der Erwerbstätigen mindern würden, vergleichbar einem steigenden Rentenversicherungsbeitrag. Diese steigende Belastung der Erwerbstätigen müsse an die Rentnerinnen und Rentner weitergegeben werden.
Übersehen wird dabei, dass längst nicht alle Erwerbstätigen „riestern“ (bis 31.3.2009 wurden 12,4 Mio. Riester-Verträge abgeschlossen) und diejenigen, die „riestern“, nicht in „voller Höhe“.Zudem entfällt ein Teil der Riesterverträge auf Beamte und Richter, gemäß gesetzlicher Regelung kann auch dieser Personenkreis außerhalb der GRV die Riesterförderung nutzen, siehe
Riesterreform 2001- Gesetzliche Regelung.
Eine Kürzung der Rentenanpassungen im Hinblick auf die Riesterrente ist nicht systemgerecht. Denn die Riesterbeiträge fließen nicht der Rentenversicherung, sondern privaten Versicherungsunternehmen zu. Sie dienen damit nicht dem Ausgleich zwischen Beitragszahlern und Rentnern innerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung.

Der Nachhaltigkeitsfaktor und Parameter a bzw. alpha  (s. obige Formel) 
Der Nachhaltigkeitsfaktor ist der „verschlimmbesserte“ (und vor 1998 diskutierte und eingeführte und nach der Bundestagswahl 1998 wieder rückgängig gemachte) sogenannte Demographiefaktor. Er erfasst die Veränderungen des zahlenmäßigen Verhältnisses von Rentnerinnen und Rentnern zu den Beitragszahlerinnen und -zahlern. Der Nachhaltigkeitsfaktor wurde mit dem RV-Nachhaltigkeitsgesetz 2004 in die Rentenformel eingeführt, das den Anstieg der Renten seit dem Jahr 2005 dämpft. Der Nachhaltigkeitsfaktor entfaltete in 2007, 2008 und 2009 (ausnahmsweise) eine rentenanpassungssteigernde Wirkung, d. h. er führte zu einer positiven Anpassung. In diesen Jahren stieg nämlich die Zahl der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler stärker als die der Rentnerinnen und Rentner. Langfristig aber wird sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern wegen der erwarteten demografischen Veränderungen verschlechtern: Die Zahl der Rentner steigt gegenüber der Zahl der Beitragszahler. Dann wirkt der Nachhaltigkeitsfaktor wieder negativ und führt zu Kürzungen bei den Rentenanpassungen.
Gleichzeitig wurde eine Schutzklausel in das Gesetz eingefügt, die sicherstellt, dass es allein wegen der Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors nicht zu einer Minusanpassung der Renten kommen kann (SGB VI, § 68 Absatz 6). Statt dessen gab es für die Rentner "Nullrunden".
Der Parameter a  bzw. alpha
Im Nachhaltigkeitsfaktor ist ein “Rentnerquotient” eingebaut, der auf eine Veränderung des Verhältnisses zwischen Beitragszahlern zu Rentenempfängern reagiert. Der zu bestimmende Rentenwert sinkt, wenn sich das Verhältnis Rentenempfänger zu Beitragszahlern verschlechtert. Der Rentnerquotient wird mit einem weiteren (dimensionslosen) Faktor a  multizipliert (“Parameter a”), der die Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors bestimmt.
Die Bedeutung des “Parameter alpha”:
Das Verhältnis Rentner zu Beitragszahler kann kurzfristig nicht verändert werden, der Faktor a aber sehr wohl, denn seine numerische Größe wird durch ein Gesetzgebungsverfahren festgelegt. Anders ausgedrückt: Dieser Faktor " ist die entscheidende politische Stellschraube, um die künftige Rentenhöhe zu steuern. Der Nachhaltigkeitsfaktor ist kein objektiver, aus den demographischen Verhältnissen abgeleiteter Faktor sondern im Wesentlichen ein politisch-fiskalischer Willkür-Faktor. 

Der Nachholfaktor  (auch Ausgleichsfaktor oder Anpassungsfaktor)
Mit dem 2007 verabschiedeten „RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz“ wurde ein weiterer Faktor in die Rentenformel, der so genannte Nachholfaktor ("auch Ausgleichsfaktor oder Anpassungsfaktor") eingefügt. Er ist - wie der Riesterfaktor - ein reiner Kürzungsfaktor und soll Anpassungskürzungen, die die Schutzklausel verhindert hat, zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Diese Funktion des „Nachholens“ soll der Nachholfaktor auch künftig erfüllen. Dieser „Nachholfaktor“ soll ab 2011 dafür sorgen, dass – solange ein „Ausgleichsbedarf“ besteht – die rechnerische Rentenanpassung nur zur Hälfte weitergegeben wird. Der Ausgleichsbedarf beträgt zum 30.6.2009 in den alten Bundesländern -1,75 % und in den neuen Bundesländern -1,3 %. Dieser Faktor wirkt aber erst ab 2011.

Ein konkretes Beispiel siehe 
Rentenanpassung 2011  

Durch das Verschieben der Riester-Treppe auf 2012 und 2013, werden die Rentenanpassungen künftig mager ausfallen. Die Verrechnungen sollen nicht in voller Höhe stattfinden, sondern es soll jeweils höchstens eine Halbierung der positiven Anpassung erfolgen. Positive Rentenanpassungen würden also halbiert, und zwar so lange, bis die unterlassenen Minusanpassungen der letzten Jahre wieder nachgeholt sind.
Den Rentnerinnen und Rentner wurde eine Nichtkürzung versprochen. Die Nachholung dieser Nichtkürzung zu späterer Zeit mag zwar formell keine Rentenkürzung darstellen; faktisch bedeutet dies einen erneuten Vertrauensbruch der Politik. Durch diese Modifizierung wird beim Rentenanpassungsmechanismus jegliche Transparenz und Verständlichkeit aufgehoben. Der Nachholfaktor wird nur mehr geringfügige Rentenanpassungen zulassen und die Rentner auf unbestimmte Zeit von der allgemeinen Einkommensentwicklung abkoppeln.

 

Forderungen zur Rentenanpassung  
Unabdingbar ist die Wiederankoppelung der Renten an die Entgeltentwicklung und eine deutliche Anhebung des Rentenniveaus.
Alle Kürzungsfaktoren in der Rentenformel müssen mit sofortiger Wirkung gestrichen werden.
Die Rentenanpassung muss sich an der Lohn- und Gehaltsentwicklung orientieren.
Ein Lebensstandard gemäß des individuellen Rentenanspruchs muss über die gesamte Rentenzeit gesichert sein.
De Rentenanpassung muss transparent und zuverlässig sein.

 

Quellen: SGB VI, Verdi, SoVD, VDK, Arbeitnehmerkammer Bremen, Wikipedia, Der Paritätische.   

 

 

Siehe auch:  

Die Dämpfungsfaktoren der Rentenanpassung und ihre Wirkung

Die Anpassung der Renten in den Jahren 2003 bis 2013 - Zugleich eine Wirkungsanalyse der »Riester«-Treppe

Portal Sozialpolitik   

Arbeitnehmerkammer  


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